Montag, 29. Mai 2017

Amanda Robson: "Obsession"

„Wenn ich nicht wäre, um wen würdest du dich dann bemühen? Wer macht dich an?“, fragt Carly ihren Ehemann Rob im Familienurlaub, und Rob antwortet: „Jenni.“
Die gläubige Jenni, eine Arbeitskollegin, und ihr Ehemann Craig zählen eigentlich zu Carlys und Robs engsten Freunden, aber Carly betrachtet Jennis „Perfektionismus“ längst mit Argwohn; während Carly sich in ihrer Rolle als Ehefrau und vor Allem Mutter längst nicht wohlfühlt, die Kinder eher als unerwünschte und verpflichtende Anhängsel betrachtet, scheint Jenni das zu sein, was gemeinhin als „perfekte Mutter, perfekte Ehefrau, perfekte Mitarbeiterin, perfekte Freundin, perfekte Köchin, perfekte Hausfrau…“ bezeichnet wird. In Carlys Augen haftet Jenni etwas Madonnenhaftes an, was ihr etwas Satanisches verleiht und nachdem Rob eingeräumt hat, dass Jenni Anziehungskraft auf ihn ausüben könnte, beginnt Carly Jenni als Konkurrenz zu sehen, die ihr fraglos den Mann ausspannen will und aus einem reinen Rachegefühl heraus beschliesst sie, Jennis glückliches Leben zu torpedieren und vor Allem mit deren Ehemann Craig eine Affäre zu beginnen. Craig selbst fühlt sich überfordert in seinem Zuhause, wo es so brav und gesittet zugeht, und springt sofort auf die vor Sexgier strotzende Carly an, die glaubt, die Lüsternheit würde dem entsprechen, was Rob auch Jenni entgegenbringt.
Carly schlägt völlig über die Stränge, Jenni sieht sich ihrem Hass ausgeliefert und letztlich wird Carly eine psychische Erkrankung attestiert; sie leide unter schweren Depressionen, die in ihrem Fall in Paranoia enden.
Doch trotz der Behandlung glaubt Jenni sich weiter verfolgt von Carly, beteuert, dass diese sie umbringen wollen würde, während Carly nun gegenseitig bekundet, die kreuzbrave Jenni habe endgültig teuflische Züge angenommen und würde Carlys Krankheit nun zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, um Carly für Dinge zu beschuldigen, für die Jenni aber selbst verantwortlich sei.
Vor Allem Rob sitzt nun zwischen allen Stühlen, da er nicht weiss, ob er seiner kranken, mitunter als paranoid diagnostizierten Frau tatsächlich eher glauben soll als der lieben Jenni, die seinen christlichen Glauben teilt und deren Glück nachweislich von Carly zerschmettert worden war … Und nun kommt es zu Straftaten, zu Kapitalverbrechen; wer ist wirklich leidenschaftlich böse?

Amanda Robson: „Obsession“


„Obsession“ wird mit ständig wechselnden Zusätzen geführt, aktuell ist es der „bestselling psychological thriller perfect for summer reading“, davor war es der schockierende Psychothriller mit einem „turns deadly“ Twist in einer Geschichte rund um Affären. Als Nächstes wird es vermutlich der Thriller sein, über den wir noch bis in den Herbst hinein nachdenken werden und dann der Roman, den wir im Winter in eine Decke eingehüllt und dann doch fröstelnd vor dem brennenden Kamin sitzend lesen wollen.
Ich weiss eigentlich gar nicht mehr, wie ich an diesen Roman gelangt bin (wurde er auf Bookbub beworben?), aber die Kurzbeschreibung klang so recht spannend, ein wenig komplexer, und mich gelüstete es just nach etwas „Intensiverem, Einsaugenderem“ als einer fluffig-kurzweiligen Unterhaltungslektüre; wollte mal wieder etwas lesen, was mehr „allgemeines Erwachsenenbuch“ und weniger „typischer Frauenroman“ war. Erst recht, nachdem ich erst kürzlich „Cut to the Bone“ als absolut zum Nachdenken anregende, ernsthaftere Belletristik empfunden hatte; nun sollte also „Obsession“ einen ähnlichen Anspruch meinerseits ausfüllen.

Ich hätte „Obsession“ von Anfang an gehasst, wenn es mich nicht so ermüdet haben würde.
In „Obsession“ treten alle vier Figuren; Carly, Rob, Jenni und Craig; als personale Erzähler auf, abwechselnd, aber keinem klaren Takt folgend. Dabei erzählen sie eigentlich nie rein aus der üblichen Ich-Form heraus, sondern reden quasi in Gedanken eine der anderen Figuren an, der sie erzählen, was just bei ihnen und vor Allem zwischen sich und der angesprochenen Person los ist.
Das fand ich prinzipiell interessant; als Leser wurde man so von allen Seiten mit einem reinen Tunnelblick versehen, konnte auch später das ein oder andere Missverständnis ausmachen und sehen, wozu es mitunter führte, sich nicht einfach mal direkt miteinander auszusprechen und das Ganze hatte letztlich etwas von Stiller Post. Dies war eigentlich wie vielfach im normalen Leben, aber: im normalen Leben kennt man zum Einen die Leute, mit denen man „spielt“ und zum Anderen ist es da vor Allem so, dass man am Ausgangspunkt keine Ahnung davon hat, was auf dem Wege so alles bis zum Zielpunkt transportiert wird. Im Falle „Obsession“ bekommt man aber die komplette Entwicklung um die Ohren gehauen; da erzählt Jenni in ihren Gedanken eben auch schonmal, was eine weitere Kollegin ihr nun wiedergegeben hat. Und man rechnet als Leser schon fast damit, dass sich gleich die gesamte Belegschaft und noch sämtliche Familienmitglieder aller Hauptfiguren zu Wort kommen werden. Ich fand es einfach viel zu viel; mir redeten hier zu viele Stimmen.

Sympathisch war ohnehin keiner: Carly war von Anfang an eine eher verstörende Figur, während Rob reichlich duckmäuserisch, aber eben bemüht wirkte, und als Carly später eine Krankheitsdiagnose gestellt bekam, schien sie diese nur als Ausrede herzunehmen, „ich kann mir alles erlauben; ihr wisst doch, dass ich bekloppt bin; ihr müsst das berücksichtigen und mir alles verzeihen, weil ich kann ja gar nix dafür“. Craig war eher roboterhaft, aber eben zumindest mit nackten oder dessousbestrumpften Tatsachen zu begeistern; eigentlich  war er nicht mehr als die Verbildlichung vom Klischee des unter einem eingeschlafenen Liebesleben ach so leidenden Ehemanns, der zudem mit einer gläubigen Frau gestraft war. Jenni wurde von Anfang an als überangestrengt gut dargestellt und ihr gleich eine wahnhafte religiöse Attitüde angedichtet, obschon sie zumindest eingangs ihren Glauben auf eine eher liberale Art lebte und noch weit vom Fanatismus entfernt war.
Somit bekam man als Leser zu Beginn vermittelt, dass beide Frauen total durchgeknallt seien, obschon sowohl Carly als auch Jenni hier noch eher solide wirkten und dieses „Durchdrehen“ erst später im Verlauf der Geschichte erfolgte.
Ja, Jenni betete täglich und legte auch auf entsprechende Dankesworte beim Essen wert, aber das finde ich weder verstörend noch so ungewöhnlich und schon gar nicht empfand ich Jenni auf so extreme Art gottesfürchtig, dass ich es beängstigend gefunden haben würde.
Okay, im Verlaufe der Handlung steigern sich alle Extreme und da ließ Robson kaum ein eindimensionales Klischee aus; nebeneinander gestellt wirkten alle Charaktere letztlich so verloren in dieser Gruppe, so fehlplatziert, als könnten diese Figuren niemals etwas miteinander zu schaffen haben. Das ließ „Obsession“ auf mich völlig hölzern wirken.

Ich las ein Drittel des Romans und war derart versucht, einfach abzubrechen. Aber: Ich war so angetrieben vom „turns deadly“ in der da noch enthaltenden Anpreisung und nach diesem Drittel hoffte ich wirklich, dass sich letztlich doch bitte alle in einem Riesenmassaker gegenseitig die Birne wegpusten würden.
Darum habe ich weitergelesen und ab dem Zeitpunkt, zu dem sich erstmalig strafbar gemacht wurde, war die Handlung dann auch leidlich spannender, vornehmlich weil für einen als Leser durch die Erzählperspektive(n), in denen erstmal niemand ein Geständnis ablegte, ebenfalls völlig unklar war, wer nun was getan hatte und man selbst auch in diesem „Rob-Dilemma“ hing, in dem man nicht wusste, wem man nun glauben könnte.
Klar, im Nachhinein: Ich hätte auch einfach ins Inhaltsverzeichnis schauen können, wer ggf. irgendwann nicht mehr zu Wort kommen würde, und dann davon ausgehen können, dass es für die betreffende Figur eben deadly geturned war. Würde mich wohl aber auch nicht so sehr weiter gebracht haben; hätte ja sein können, dass „turns deadly“ eine Fehlinfo war und die verstummte Figur einfach nur verschwunden gewesen wäre. Oder nur noch die anderen Charaktere erzählen ließ, waren ja noch genug weitere Plaudertaschen da.

Auf amazon.com gibt es gegenwärtig übrigens fünf Rezensionen, eine pro Sternewertung, jawohl: diese Ausgewogenheit muss man auch erst einmal bewerkstelligen. Ich glaube, ich würde mich mit in die goldene Mitte der drei Sterne einreihen, und zwar nur ganz knapp.
Die grundsätzliche Idee dieser Handlung ist großartig; das ist definitiv ein Plot, der so toll sein könnte wie er beworben wird – wenn er nur auch entsprechend umgesetzt wäre. Komplex ist hier allenfalls der Anspruch an den Leser, der sich den gesamten tatsächlichen Ablauf mühselig aus den gegebenen Infos aller Erzähler zusammensuchen muss; aber letztlich ist „Obsession“ grad von den Charakterisierungen her nichts weiter als eintönige Eindimensionalität. Sehr, sehr schade!
Wäre „Obsession“ via KindleUnlimited verfügbar, würde ich durchaus sagen: „Ach, wenn ihr eh das Abo habt und euch die Geschichte im ersten Moment reizt, lest halt mal rein.“ Aber darüber ist „Obsession“ nicht zu haben, keine Ahnung, ob es in einer der ePub-Onleihen verfügbar wäre; in dem Fall würde Dasselbe gelten.
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Amanda Robson: „Obsession“ – prinzipiell eine geniale Idee, aber ich fand sie in diesem Fall absolut miserabel umgesetzt!
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„Obsession“ von Amanda Robson, veröffentlicht am 04.05.2017
Amazon: Kindle eBook (2,99€)* / ab dem 01.06. erhältlich: Taschenbuch (8,99€[464 Seiten])*


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